Jeden Herbst taucht in allen Ställen bei Pferdefreunden wieder die gleiche Frage auf: abdecken, umdecken oder bleiben lassen, dicke Decke, dünne Decke oder nur was gegen Regen?  Um eine vernünftige Lösung zu finden, sollte sich jeder Pferdebesitzer die natürliche Thermoregulation des Pferdes vor Augen führen und zudem die Haltung seines Vierbeiners berücksichtigen.

Wie andere Säugetiere auch müssen Pferde ihre innere Körpertemperatur konstant halten, um Organfunktionen und Stoffwechselprozesse problemlos zu erhalten. Diese sogenannte Kerntemperatur lässt hierbei keine großen Spielräume zu, so dass die Thermoregulation zuverlässig funktionieren muss. Erwachsene Pferde haben eine Körpertemperatur um die 38° Celsius. Ihre Komfort-Temperatur für die Umgebung liegt hingegen zwischen  +20° bis - 10 °. Wenn die Tage wärmer werden und nachts die Temperatur wieder fällt, greift ein natürlicher Wärme Mechanismus des Pferdes, um die Kerntemperatur weiterhin auf dem gleichen Wert zu halten. Die vier wichtigsten Bestandteile dieser Wärmeregulation sind die Haut, die Blutgefäße, das Fell und die Schweißdrüsen eines Pferdes.

Natürliche Temperaturregler

Ein wichtiger Teil der Thermoregulation ist die Pferdehaut, die als Isolierschicht dient und zudem auch Wärme nach außen abgibt. Weiterhin isolierend wirkt das Fell, wobei seine wärmende Funktion selbstverständlich von Haarlänge, Feuchtigkeitsgrad und eventueller  Verschmutzung oder Verklebung abhängt. Zweimal im Jahr kommt es zum Fellwechsel, welcher durch den sogenannten Photoperiodismus ausgelöst wird. Sensoren in der Pferdehaut reagieren hierbei auf die unterschiedliche Länge des Tageslichtes. Weiteren Einfluss nimmt die Außentemperatur, so dass bei kälterem Klima dickeres und längeres Haar wächst. Verstärken kann das Pferd seinen „Kuschelpelz“ durch die klassische Gänsehaut-Reaktion. Hierbei stellt sich das Fell auf, wenn der Vierbeiner friert und verstärkt dadurch die Isolierschicht.

Zum Schutz vor Feuchtigkeit und anderen Einflüssen sind die Pferdehaare mit einer fettigen Schicht bedeckt, wodurch sie wasserabweisend sind und die Feuchtigkeit an der äußeren Haarschicht abfließt. Je dichter das Haar ist, desto weniger hat Wasser die Chance bis auf die Haut zu gelangen. Durch regelmäßiges Ausbürsten oder Scheren der Haare wird die schützende Talgschicht entfernt, so dass der wasserabweisende Effekt verloren geht. Nach Haut und Fell helfen die Blutgefäße dabei die Temperatur im Pferdekörper zu regeln. Sie  können sich durch eine eigene Muskulatur in der Gefäßwand entweder erweitern oder verengen. Wenn bestimmte Bereiche zugunsten der Körperinnentemperatur nicht mehr komplett mit Wärme versorgt werden sollen, so können die Gefäße deswegen darauf reagieren. Bei einer Gefäßverengung gelangt weniger Wärme an die Körperoberfläche und die Haut, was Wärme einspart. Wird dem Pferd zu warm öffnen sich hingegen die Gefäße und es wird vermehrt Wärme zur Haut transportiert und nach außen abgegeben.

Letzter Bestandteil der Pferde-Thermoregulation sind die Schweißdrüsen, die bei der Abkühlung des Körpers helfen. Sie produzieren Schweiß, welcher auf der Pferdehaut verdunstet und dadurch Kühlung verschafft. Die Schweißsekretion stoppt sofort, wenn der Sollwert der Kerntemperatur erreicht ist. Dann muss das Pferd schnell trocknen, denn es läuft sonst Gefahr zu unterkühlen. Neben diesen vier Mechanismen der Thermoregulation kann das Pferd sich auch durch sein Verhalten wärmen oder kühlen. An windigen, regnerischen Tagen beispielsweise stehen Pferde gerne zusammen in der Herde und drehen ihre Schweife in den Wind und halten die Köpfe gesenkt. Auf diese Weise schützen sie Nacken, Kopf, Ohren und Augen, Unterbauch und Genitalien vor Wasser und Wind. Die Schweife schützen dabei ihre hintere Körperpartie – die kürzeren Haare auf der Schweifrübe fächern sich dabei auf und schirmen so Wind und Schnee ab.

Eine Frage der Haltung

Steht der Pferdehalter nur vor der Frage, ob er sein Pferd eindecken oder sogar scheren soll, muss die Haltung und die beschriebenen Thermoregulation beachtet werden. Pferde, die Tag und Nacht im Freien verbringen, sollten auf keinen Fall geschoren werden. Um so wenig wie möglich in den natürlichen Mechanismus einzugreifen, sollten solche robust gehaltenen Tiere auch nicht eingedeckt werden. Zum einen würden sie es wahrscheinlich eher als störend empfinden und zum anderen ist der natürliche dicke Pelz der beste Schutz, den sie haben können. Zudem halten selbst spezielle Regendecken einer stundenlangen Regendusche meist selten komplett Stand, so dass die Tiere am Ende des Tages mit nasser Decke und frierend auf der Koppel stehen. Ganz anders sieht es bei Pferden aus, die täglich hart trainiert werden, viel unter dem Sattel laufen oder auf Turnieren vorgestellt werden.

Bei Bewegung mit (noch) langem Fell beginnen die Vierbeiner schnell zu schwitzen und das Fell wird nass. Da diese Feuchte von „innen heraus“ kommt, dauert es sehr lange bis der Pelz wieder richtig trocken ist. Wenn das verschwitzte Pferd im Stall steht ohne sich zu bewegen, dauert  der Trocknungsvorgang noch länger. Je länger es braucht, bis das Tier trocknet, desto höher steigt das Risiko für Erkältungen, Infekte bis hin zu Koliken, weil der Stoffwechsel und die benötigte Körperkerntemperatur negativ durch das schweißnasse Fell beeinflusst werden. Pferde, die regelmäßig geritten und bewegt werden, sollten deswegen bei noch kühlen Temperaturen konsequent eingedeckt werden, um ein Nachschieben von langem Fell zu vermeiden. Sprießt das Haar trotzdem munter weiter, müssen diese Pferde unter Umständen auch zu Beginn des Frühlings nochmals geschoren werden.

Für die Wahl der richtigen Decke muss je nach Scherfrisur und Stallklima entschieden werden. Abhängig von der durchschnittlichen Temperatur im Stall und der Zeit, die das Pferd unter dem Reiter oder freilaufend an der frischen Luft verbringt, muss für jede Temperaturzone die richtige Ausrüstung vorhanden sein.

Die richtige Deckenwahl

Die Auswahl und der Markt an Pferdedecken ist riesig - von billig bis teuer, dünn bis dick, regenabweisend und bissfest - hier kann leicht der Überblick verloren werden. Deswegen muss vor dem Decken shoppen einmal überlegt werden: Was muss meine Pferdedecke wirklich können? Unabhängig vom Modell muss die Decke sauber sein, nur einem Pferd gehören und vor allem perfekt passen. Schlecht sitzende Decken führen zu Druckstellen und Scheuerstellen, die für das Pferd äußerst unangenehm sind. In den Schrank eines jeden Pferdehalters gehört in jedem Fall eine Abschwitzdecke, selbst wenn das Pferd nicht eingedeckt ist. Die dünne und atmungsaktive Decke sorgt für einen Wärmeschutz, wenn das Pferd geschwitzt hat und langsam trocknet.

Pferde, die ungeschützt trocken und dabei noch einem kalten Wind ausgesetzt sind, beginnen zu zittern - ein klares Signal, das ihnen zu kalt geworden ist! Um dies zu verhindern hilft die Abschwitzdecke. Sie leitet die Feuchtigkeit nach außen, während es innen warm bleibt. Eindecken mit einer Stalldecke über die Abschwitzdecken hinaus ist für bestimmte Pferde bei kühlen Temperaturen Pflicht. Hierzu gehören kranke oder abgemagerte Tiere, Rassen aus warmen Ländern und alle geschorenen Vierbeiner. Das dünnstes Deckenmodell, leicht und sehr praktisch, ist die sogenannte „Übergangsdecke“ welche gerne im Frühjahr zum Einsatz kommt, wenn kein Frost mehr herrscht.

Wer die Möglichkeit hat, deckt sein Pferd im Frühling tagsüber mit der dünnen Übergangsdecke ein und greift nachts auf eine warme Unterdecke als Zusatz zurück. Eine solche Anpassung ist fürs Pferd sehr angenehm , denn behält es seine Decke tagsüber in der Sonne bei zweistelligen Plusgraden auf, so kann es anfangen stark zu schwitzen. Überhitzung und Kolik können dabei die schlimmsten Folgen sein.

Der Pferdehalter muss also einplanen sein Pferd je nach Klima tagsüber von der Decke zu befreien und abends wieder einzudecken, was bei wechselhaftem Wetter einen enormen Aufwand bedeuten kann. Besonders praktisch sind Übergangsdecken, die auch für draußen auf der Koppel genutzt werden können und Regen aushalten. Teurere Modelle werben zudem damit, für große Temperaturschwankungen geeignet zu sein und je nach Bedarf zu wärmen oder zu kühlen. Dies ist vor allem für alle Pferdebesitzer praktisch, die es nicht zweimal am Tag in den Stall schaffen.

Unabhängig von der Dicke der Decke und dem Deckenmodell sollte auf eine wasserundurchlässige (für Paddock Pferde), reißfeste Außenbeschichtung und eine gute Passform geachtet werden. Besonders hochwertig sind  Decken, die ein antibakterielles oder wasserleitendes Innenfutter besitzen, um das Pferd trocken zu halten und vor Ekzemen zu schützen. Je nach Modell kann die Decke durch Halsteile, Bauch- und Schweiflatze komplettiert werden, so dass das Pferd wirklich von vorne bis hinten eingedeckt ist. Sehr ratsam und praktisch sind dünne Brustschoner, die man wie ‚Unterziehpullis‘ unter der Decke montieren kann, um Haut und Fell am Deckenrand vor Reibung und Schürfungen zu schützen.

Aufmerksames Management

Wichtig zu wissen ist es, dass durch das künstliche Eindecken die natürliche Wärmeregulation des Pferdes außer Gefecht gesetzt wird. Die Thermoregulation des Pferdes versucht die nicht bedeckten Körperteile ebenfalls warm zu halten. Eine partielle Erwärmung ist jedoch nicht möglich, so dass entweder der ganze Körper oder gar nichts auf Temperatur gebracht werden kann. Dies kann dazu führen, dass das Pferd unter der Decke beginnt zu überhitzen und zu schwitzen. Decken sollten deswegen immer regelmäßig kontrolliert werden, damit kein Pferd nass geschwitzt und eingedeckt in seiner Box steht. Infekte, Muskelverspannungen und weitere Komplikationen können die Folge einer solchen unfreiwilligen Schwitzkur sein. Die Frage eines Eindeckens ist somit nicht ganz einfach pauschal zu entscheiden, sondern muss immer Pferde- und Stall Individuell entschieden werden. Je nach Haltung, Trainingsprogramm und persönlicher Zeit muss der Pferdehalter dann bestimmen, wie er es für seinen Vierbeiner am besten handelt.

© Autor: H. K. Stephan